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"Zukünftig sollen im Internet nur noch unsere eigenen Beiträge lesbar sein": Löschaufforderung und Drohung mit juristischen Schritten
Sebastian Eckert comment 0 Comments

Ein paar Vorworte: Ich habe mit dem Betreiber eine Lösung gefunden und schreibe dies nur, um die Situation zu schildern, über die ich mich letzte Woche so aufgeregt habe. Wer der Betreiber war, ist in diesem Falle auch nicht wichtig, ich bitte darum, nicht nach ihm zu suchen.

Der Text ist sehr lang. Die Zusammenfassung: Ich wurde aufgefordert, einen veralteten Artikel zu löschen. Weil ich dem nicht nachkam, wurden mir rechtliche Schritte angedroht. Daraufhin bat ich um eine Stellungnahme zwecks Berichterstattung.

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Ich bin Schreiber, beruflich und privat. Ich blogge auch an verschiedenen Stellen im Internet, darunter auf zwei bis drei eigenen Blogs. Ich blogge viel über Politik, Medien, Restaurants, Einrichtungen und Cafés, über Menschen, Personen, Games, viele lokale Ereignisse und manchmal auch über Kultur. Ich schreibe auch fiktive Texte. Ich schreibe in Blogs, weil es mir viel Spaß macht. Die recht hohen Kosten dort stehen in keinem Verhältnis zu den mickrigen Einnahmen. Ich schreibe dabei weniger, als ich gerne würde, aber ich nehme für mich in Anspruch, fair und korrekt und meistens eher zu positiv zu berichten.

Der Anruf, die SMS

Vergangenen Dienstag erreichte mich ein Anruf, mit unterdrückter Nummer. Am Apparat: Offenbar eine Person, die eine Einrichtung in Deutschland betreibt, über die ich vor Jahren mal einen Bericht verfasst habe. Es gab eine Erlaubnis, Fotos zu machen. Man war froh über den Bericht, weil er viele Kunden angelockt habe.

Jetzt (18.11, 10.50 Uhr) hieß es: Man bedanke sich sehr herzlich, der Artikel habe über die erste Zeit geholfen. Jetzt sei allerdings vieles veraltet und man brauche die Werbung nicht mehr. Ich teilte mit, dass ich jetzt keine Zeit dafür habe und auf der Arbeit sei. Ich bot eine Aktualisierung, einen Hinweis und einen neuen Artikel an. Wir könnten uns abends in Verbindung setzen.
Ich gebe zu, ich rief nicht an bis 19 Uhr, auch weil ich die Telefonnummer (anonym) nicht hatte.  Abends folgte eine SMS, offenbar ebenfalls durch den Betreiber, eine Namensnennung fehlt. Der Inhalt:

“[…] Wir bitten Sie, unser Artikel […] bis zum 21.11 komplett zu Löschen. Zukünftig sollen im Internet nur noch unsere eigenen Beiträge lesbar sein. Dennoch bedanken wir uns für den damaligen Beitrag.”

Da der Artikel allerdings von mir verfasst wurde, nicht durch die Einrichtung, und ich die Begründung nicht nachvollziehen konnte, die Fristsetzung mir arg kurz erschien, die SMS mir seltsam vorkommen, und aus anderen, vor allem zeitlichen Gründen, ging ich dem auch nicht weiter nach. Ich rief aber vergeblich durch, da ich jetzt eine Nummer hatte, hinterließ eine SMS, dass ich zu sprechen wäre.

Die Drohung mit Rechtsmitteln
Am 21.11, 23:21 Uhr folgte eine Mail. Mit Bezug auf das Telefongespräch sollte ich meinen Beitrag gelöscht haben. Grund:

“hiermit nehmen wir nochmals Bezug auf unser Telefongespräch am vergangen Mittwoch bzw. meine sms vom selben Tag. Sie sollten bis zum heutigen Tag Ihren Beitrag über _________ gelöscht haben. Aufgrund dessen, dass die Informationen in Ihrem Beitrag veraltert sind u. zur Verwirrung unserer Kunden führen, ergibt sich dieses dringendes Anliegen. Zudem wollen wir ab sofort nur noch eigene Beiträge veröffentlichen. Eine Aktualisierung dieses Posts ist somit von unserer Seite nicht gewünscht.”

Es folgte die Drohung mit juristischen Schritten:

Falls Sie den Beitrag nicht bis 23. November gelöscht haben, sehen wir uns gezwungen dies an unsere Juristische Abteilung weiterzuleiten.

Die Mail samt Androhung juristischer Schritte wurde übrigens auch als Kommentar unter den Artikel gesetzt, ich habe diese Mitteilung also gleich zweimal bekommen.

Ich dachte, das Internet sei groß genug für alle Medien, sodass jeder dort  Beiträge veröffentlichen kann. Wohlgemerkt: Für den Artikel, die kostenlose Werbung, floss kein Pfennig in meine Taschen. Es besteht keinerlei geschäftliche Beziehung. Der Artikel war sehr wohlwollend formuliert, wurde auch gut aufgefasst.

Dass Artikel nach einigen Jahren veraltet sind, liegt nun einmal in der Realität des Lebens. Deshalb steht, für alle Leser sichtbar, ein Datum darüber. Ich beschwere mich ja auch nicht bei der Zeitung, weil ein fünf Jahre alter Artikel noch immer den falschen Oberbürgermeister als Wahlsieger hat.

Kurz, ich habe den Artikel nicht gelöscht, sondern etwas überarbeitet. Daraufhin verschärfte sich der Ton am 22.11, 20:29 Uhr:

Wie wir Ihnen klar und deutlich mitgeteilt haben reicht uns diese Erneuerung nicht aus.
Der Artikel soll komplett gelöscht werden. Als Erstbefugter über Ihren Blog sind Sie in der Lage dazu dies zu tun/ tun zu müssen.

Bitte um Begründung und Fristsetzung meinerseits

Ich bat in meiner Antwort um eine rechtliche Begründung, bevor man juristische Schritte ergreifen sollte. Denn offenbar ging es nicht um veraltete Fakten, sondern darum, dass ich meinen Bericht aus dem Netz nehme.

Und ich bat, in einer weiteren Mail einige Tage später, um eine Stellungnahme zwecks Berichterstattung. Und ich  setzte dazu auch eine Frist.

Warum ich das tat? Ich bin nicht das einzige Blog in Bonn, der davon betroffen ist. Andere sind der Aufforderung nachgekommen. Kommentar: Ich mache doch nicht kostenlos Werbung für jemanden, der so reagiert. Das ist nachvollziehbar.

Ich lösche meinen Beitrag nicht.  Er ist durch die Meinungs- und Urheber- und Pressefreiheit gedeckt, ist nicht ehrabschneidend oder verletzend. Und ich habe Mühe und recht viel Lebenszeit hineingesteckt. Selbst wenn ich das Brot als zu hart und den Kaffee zu kalt empfunden hätte, so wäre das im gesetzlichen Rahmen gewesen. Man muss als Einrichtung mir Berichterstattung leben, sogar mit schlechter, genau wie man als Schreiber für schreiberische und rechtschreiberische Verbrechen vergangener Tage geradestehen sollte.

Ich denke mir auch, dass die Leser mündig genug sein sollten, die Aktualität des Artikels zu erkennen und sich auf der Seite des Betreibers über aktuelle Preise und Öffnungszeiten zu informieren.

Ich bleibe da auch hart und berichte jetzt, weil man Medien nicht ungerechtfertigt droht. Weil sich sonst solche Tendenzen, gerade seit dem irrsinnigen Google-Urteil, einbürgern könnten, und man irgendwann vielleicht Gefahr läuft, möglicherweise im Detail veraltete Artikel ständig depublizieren zu müssen. Oder ihretwegen gar noch vor den Kadi gezerrt wird.

Und es würde geniale Bonner Blogprojekte wie welovepubs.wordpress.com, bonngehtessen.de und andere Plattformen vor viel Arbeit stellen. Denn wer weiß schon, ob ein Bericht nach zwei Tagen noch aktuell ist?

Die Reaktion

Telefonisch teilte man mir am Dienstag mit, man sei überrascht von meinen Mails, habe sie auch  bis gerade gar nicht gelesen eben. Man wolle mir ja gar nichts Böses. Nur seien viele der Kunden schon vor verschlossenen Türen gestanden, zudem sei die von mir empfundene Beschreibung der Einrichtung nicht mehr aktuell. Die Drohung mit juristischen Schritten sei nur erfolgt, weil ich abends nicht zurückgerufen habe, ich schwer zu erreichen sei…

Und man habe einfach keine Zeit, abends immer zu kontrollieren, was die Blogger über das Café so alles geschrieben hätten, und wolle das auch gar nicht.

Fazit

Inzwischen haben wir zwar eine Lösung gefunden. Aber die Drohung mit rechtlichen Schritten geht mir gegen den Strich. Es ist die größte Furcht eines Hobby-Bloggers, sich einen Anwalt nehmen zu müssen. Und die Dringlichkeit der Lage sehe ich persönlich nicht – auch wenn offenbar, wie telefonisch versichert, ein Großteil der Kunden erst durch meinen Artikel die Einrichtung gefunden hat.
Schließlich müssten sich die Kunden ja bei mir beschweren.

Und über kostenlose Werbung im Netz sollte man sich eigentlich freuen, zahlt man bei etablierten (Print-)Medien doch zwei Säcke voller Geld für einen Report.

Schließlich ist es nicht mein Verschulden, dass die Einrichtung selbst kaum im Netz zu finden ist. Beschweren kann man sich danach immer noch, dafür gibt es die Kommentarfunktion und das Impressum.

Ich bin für mich zum Schluss gekommen, warum ich schreibe: Für mich und auch für die Leser, damit sie auch Sachen entdecken, die sie noch nicht so sahen oder so kannten. Ich mache keine Hofberichterstattung für Konzerte, Bands, Einrichtungen, Cafés, Apotheken, Weihnachtsmärkte, Parteien.

Bevor der Mob tobt, erneut: Ich versuche, den Betreiber der Einrichtung hier anonym zu halten. Sucht nicht nach ihm.

Ich weiß, es gibt Leute, die werden sich an diesem Artikel stören, an zu vielen Details, dass er unnötig ist, dass die Mails des Betreibers ja rechtlich keinerlei Bedeutung hätten und weil die Hintergrundfarbe des Blogs nicht stimmt. Um es klar zu stellen, ich schreibe den Eintrag, weil ich letzte Woche, trotz aller Versicherung von Freunden mit juristischem Wissen, nicht gut geschlafen habe. Aber beschweren könnt ihr euch in der Kommentarfunktion.

Mein Rat für Blogger:

Bei mir ist die Lage m.E. klar: Mein Beitrag, meine Bilder, die mit Erlaubnis des Betreibers geschossen wurden, meine Plattform. Und ich habe eine Rechtsschutzversicherung, die im Fall des Falles hoffentlich einspringt.

Aber selbst wenn nicht: Bleibt in einem solchen Fall hart, wenn ihr im Recht seid. Kommt entgegen, wenn es Probleme gibt. Ich denke nicht, dass sich ein Anwalt findet, der den Klageweg beschreiten will. Selbst wenn eine Abmahnung kommt, vor Gericht hat sie sicherlich keinen Bestand.
Und wenn es doch zum Verfahren kommt: Setzt auf die anderen Blogger in eurer Stadt. Ich bin sicher, dass die Gemeinschaft eine Lösung für euch finden.

Und ich appelliere an die Schaffung eines Bonner Blogger-Rechtsfonds für ungerechtfertigte Abmahnungen.

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