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Karnevalistische Spaßbremsen
Sebastian Eckert comment 3 Comments

Gleich zweimal stand ich in dieser Session baff vor dem Zeitungskasten, als ich über die Erregungenen der höchsten Bonner Karnevalsinstitution las. Es gibt eben doch nichts ernsteres in der Session, als organisierten Spaß. Und der wird in Bonn vom Festausschuss Bonner Karneval mehr und mehr herrisch ausgeübt und straff durchgeplant.

Es begann mit dem “Kölsch-Knatsch”. Prinz Simon (I.) und Bonna Verena (I.) tranken ein angebotenes Kölsch auf der Bühne, und ließen sich dabei zu einem neckischen Spruch hinreißen.

„Das wird unserem Prinzenführer Christoph Arnold jetzt nicht gefallen, aber ich gebe es nicht ab“, neckte Bonna Verena. Auch als sie einen Orden von Flüssigen-Präsidentin Eva Baukhage (25) bekam, das Glas aus der Hand geben musste, erklärte sie: „Das Kölsch muss jetzt mal bitte einer halten, nur nicht der Prinzenführer, dann bekomme ich es nicht wieder.“

Jedenfalls hätte man den Spruch als witzigen Spökes nehmen können, eine kleine Neckerei, wie es der EXPRESS berichtete. Doch stattdessen ging es in den folgenden Tagen hoch her. Denn nichts ist den organisierten Bonner Jecken so heilig wie ihr Karneval. Der General-Anzeiger-Bonn berichtete über den Knatsch wie folgt.

Im Überschwang der karnevalistischen Emotionen haben sich Prinz Simon I. und Verena I. bei der “Flüssigen”-Party in der Gaststätte “Rheinbrücke” am Tag nach der Prinzenproklamation je ein (!) süffiges Glas Kölsch gegönnt. Das ist weiter nicht schlimm, aber die beiden haben dem Gerstensaft gehuldigt, als sie auf der Bühne standen. (Fettungen durch Rheinauenschreiber.de)
Feiern gibt es im Bonner Karneval nur auf Rezept. Auf das “Das sei nicht weiter schlimm, aber…” möchte ich noch nicht mal eingehen. Denn es folgt das Levitenlesen durch Marlies Stockhorst, Bönnsche Oberjeckin des Festausschusses.
Trinken auf der Bühne ist nicht gestattet. Kein Bier und auch kein Sekt, der vielleicht eleganter wirken könnte.”
Ein Glas Wasser sei möglich, wenn es denn sein müsse (!).
“Aber während des Auftrittes ist der Auftritt gefragt!”
Und wer generell zu viel säuft und trinkt, fliegt aus dem Prinzenbus. Stockhorst kündigte ein klärendes Gespräch mit dem Prinzen an, der Mitglied der Alkoholisierten Funken ist. Dass manche Medien nicht deutlicher auf die institutionelle Selbstherrlichkeit eingehen und solche Sätze, die sich wie Hofberichterstattung lesen, unkommentiert weitergeben, ist nur am Rande bemerkt.

Prinz und Bonna sollen sich nicht mit Bierglas ablichten lassen, des Vorbildcharakters wegen. Auf der Bühne sollen sie gar nicht trinken. Auch kein Wasser. Sie sollen dienen und jeck sein und auch mal stundenlang im glühenden Licht  der heißen Bühenscheinwerfer aushalten. Sie sind zwar Prinz und Bonna, aber sollen anscheinend so wenig eigenes Mitbringen wie möglich. Sie werden zu Grüßonkel und -tante, dürfen die tolle Veranstaltung loben. Kritische Worte, egal zu welchem Thema? Lieber nicht. Der Bonner Karneval ist soll nicht kritisch sein.

Am Besten wäre natürlich, mag man da denken, wenn das nächste Paar nicht nur generell abstinent vom Alkohol leben würden, sondern auch Veganer, Radfahrer, sportlich aktiv, je drei Kinder hätten und nach den Karnevalsterminen noch in der Bahnhofsmission aushelfen würden. Des Vorbilds wegen.

Damit die vielen 15-jährigen Jecken bloß nicht auf dumme Gedanken kommen und zum Alkohol greifen, bevor sie 18 Jahre alt sind, und damit die Jecken nicht mit Rausch ins  Auto steigen. Als ob die Knirpse, die sich bis zur Namenlosigkeit besaufen, sich darum scheren, ob der Prinz ein (!) Kölsch trinkt oder nicht.

Doch es kam noch besser: Seit 22 (!) Jahren kommentieren die “Bönnsche Räuber” in der Altstadt den Zug. Doch die Bühne ist illegal, befand der Festausschuss. Und zwar, weil man sich nicht an die offiziellen Vorgaben halte, ein Aktenordner an Kommentatorenhinweisen, sondern auch wegen, nunja, wie immer eben, Duisburg. Die Rundschau zitiert dazu Zugleiter Axel Wolf:
Sie müssen zum Beispiel bei eintretenden Problemen wie einer Massenpanik die Jecken am Zugweg auf bestehende Fluchtwege hinweisen, die entlang des ganzen Zuges ausgewiesen sind.“
Über die bescheuerten Regelungen nach der Katastrophe von Duisburg, die durch Missachtung aller gängigen Planungsvorschriften und Regelungen zu Massenveranstaltungen zustande kam, muss man sich nicht äußern. In Duisburg starben die Menschen, weil sie aus beiden Richtungen geplant zusammengepresst wurden, was übrigens alle Experten mahnend voraussahen. Bei einer echten Massenpanik helfen weder Kommentatoren noch in die Menge gerufene Fluchtwegsanweisungen.
Dass die Räuber es schafften, auch in den Jahren nach Duisburg unbemerkt kommentierten, zeugt aber auch davon, dass es für den Festausschuss bisher nicht von Belang war, und dass man sich bei 250.000 Leuten nicht an jeder semi-privaten Unterhaltungsveranstaltung störte.
Doch diesmal scheint es, als ob plötzlich der Stand auf Unmut stieß, weil man sich nicht an die vorgegebenen Kommentarrichtlinien hielt, sondern frei Schnauze redeten.
Dabei würde es dem Bönnschen Karneval deutlich mehr bringen, weniger das Einerlei zu ritualisieren, sondern die Tradition bewusster, und vor allem lockerer, zu leben. Der stotternde Rathaussturm ist nur ein Beispiel. Die Räuber sind das bessere. Tausende Menschen feiern im Karneval privat und locker, freuen sich über den tollen Zug und die Kostüme der Teilnehmer und die vielen Veranstaltungen, die Vereine unentgeltlich auf die Beine stellen.
Stattdessen gibt es für Jecken und Karnevalisten sogar einen Benimm-Knigge, für die Zugteilnehmer detaillierte Anweisungen.
Bunt und fröhlich ist man eben manchmal nur auf dem Papier.
Meine Meinung.

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  1. Lustige Geschichte am Rande: Ich hatte die Möglichkeit, ein gutes Stück Wegs mit dem Karnevalswagen der Telekom Baskets zu fahren. Die Baskets sind ein sympathisches, semi-erfolgreiches Basketballteam – was sie aber nicht sind, ist Titelträger eines deutschen Wettbewerbs. Dennoch wurden an mindestens (!) drei Stellen der offiziellen Zug-Kommentierung aus den tatsächlichen fünf Vize-Pokalsiegen fünf Pokalsiege. Einfacher kommt man nicht an Trophäen. Alaaf.