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Bekennende Karnevalsmuffel...
Sebastian Eckert comment 0 Comments

Bekennende Karnevalsmuffel sind eine ganz besondere Spezies im rheinischen Karneval und gehören neben jungen Damen in kürzesten Röckchen und zusammenhängend frühester Mutterschaft zu den bemerkenswertesten Gestalten, die zwischen der Düsseldorfer Altstadt und dem Bad Godesberger Süden anzutreffen sind.

Statt wie gewöhnliche Menschen aus der Bundesrepublik einfach keine besondere Meinung zum vielleicht fremden Brauchtum zu haben, besitzen sie sogar eine ganz besonders dezidierte. Denn gewöhnliche Menschen nutzen die Zeit, um irgendwohin zu fahren. Sie flüchten nicht vor Karneval, sondern sehen den Montag als Chance, ein verlängertes Wochenende in einer Kulturmetropole zu verbringen. Barcelona, oder Paris, Hauptsache ein bisschen Tourismus und ein nettes Weinlokal mit einem phantastischen Ausblick., oder wie sie es aussprechen, mit einem pha-hant-tas-tisch-en Ausblick genießen. Und wenn sie es doch nicht schaffen, die Zeit zu nutzen, so gehen sie vielleicht doch ein Bierchen trinken, während sie ne Pappnase tragen oder, auch ganz beliebt, als Clown geschminkt unterwegs sind. Zwei Stunden feiern, dann ab nach Hause.

Nicht so der bekennende Karnevalsmuffel. Schon Monate vor Karneval hat er eine stinkende Stimmung, die immer gräuelicher wird, je näher das Datum kommt.

Auch ungefragt betont er, wie er die Rheinländer im Besonderen und die Karnevalsjecken im Bestimmten ablehnt, das Verhalten, das zumindest ja im Brauchtum beruht, als widernatürlich sieht. Der bekennende Karnevalsmuffel denkt nicht positiv, er definiert sich über die Ablehnung zum Karneval. Lieber sitzt er zu Hause, als etwas anderes zu tun und grollt erst leise, dann auch öffentlich im Internet vor sich hin.

„Ich kann das gesamte Jahr lustig sein, dass muss ich an Karneval ja nicht besonders tun“, sagen die Muffel dann meist, wobei sie im Kern auch den gesamten Rest des Jahres eher nicht auf den Partybühnen und sonstigen Kulturveranstaltungen zu finden sind. Denn meist verbringen sie ihre Freizeit damit, hasserfüllte Kommentare bei faz.de und welt.de zu posten, oder bei Taz.de herumzutrollen.

„Ich kann nicht mit Menschen feiern, die normalerweise im Jahr keinen bisschen Spaß verstehen, nur an Karneval plötzlich jeck sind“, sagt er, der auch sonst im Jahr keinen Spaß versteht und dessen größte Freude im letzten halben Jahr, das Unterzeichnen der Petition gegen Lanz war. Natürlich anonym, denn er will ja nicht mit seinem Namen einstehen für etwas.

„Ich kann mich das ganze Jahr besaufen, und hasse es, mit besoffenen Menschen rumzuhängen.“ Sagt der, der lieber alleine rumhängt, als andere zu akzeptieren, trotz ihrer Fehler. Als bekennender Karnevalsmuffel trinkt man lieber alleine zu Hause, als sich auf ein bisschen Spaß einzulassen. Bei Karneval sollte man einfach ein bisschen Spaß mit Freunden verbringen.

„Das ist doch eine eskalierende Fickveranstaltung“. Ja, wie alle großen Events. Nur geht es manchmal kultivierter zu, etwa auf Opernbällen, sofern nicht Talkmaster anwesend sind, und Hotelbars, sofern FDP-Vertreter am Tresen sitzen. Es geht immer um Sex und Liebe. Nur spart man sich an Karneval die Gebühren für Online-Datingseiten. Und in Zeiten des demografischen Wandels sollte man froh sein, dass es noch Jecken gibt, die weniger denken und mehr probieren.

So ist das eben, in den harten Tagen zwischen Donnerstag und Mittwoch, und so spricht jemand, der dem Karneval ebenfalls nicht viel abringen kann. Aber immerhin versteht, warum manche Menschen Karneval feiern wollen. Und nach drei, vier Bier, die für viele Nicht-Rheinländer nur nach abgestandenem Wasser schmeckt, tanzt und trinkt man auch mal gerne mit und schaut genüsslich zu, wie die anderen immer blauer werden und das eigene Weltbild angesichts dominierendem Alkoholexzess, lallenden Jecken und kotzenden Herren und Damen in pinken Hasenkostümen nur noch bestätigt wird.

Ist immer noch besser, als hämisch-apokalyptisch-generalisierend die aktuellen Nachrichten bei welt.de zu kommentieren.

Jeck Karnevalsmuffel

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