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Putin: Astreiner Imperialismus
Sebastian Eckert comment 0 Comments

Die vermutlich russische militärische Intervention auf der Krim ist ein Beleg für einen astreinen Panrussischen Imperialismus. Und sie zeugt davon, wie gewieft Putin vorgehen kann. Zugleich ist sie ein Zeichen für das Denken eines Staatschef, dass man noch vor einigen Jahren in ein längst vergangenes Jahrhundert verordnet hätte.

Wie die Katze eine Maus beobachtete der russische Staatsmann das Nachbarland, dass sich vor 23 Jahren aus den Krallen der zerfallenden Sowjetunion verabschiedet hatte. Wie die Katze spielte er mit der Maus Ukraine, drehte immer wieder den Gashahn zu und erhob finanzielle Forderungen an ein Land, dass seit Jahren an der Pleite vorbeischrammmt. Zugleich wurde die Ukraine unter Janukowitsch erst kürzlich ins russische Nest gelockt, durch Aussicht auf Geld und finanziellen Hilfen. Der Westen, die EU, sahen dabei zu und zuletzt ziemlich alt aus.

Im Weltbild der EU gibt es wirtschaftliche Beziehungen, politische Beziehungen. Man setzt auf Arbeitsteilung, Märkte und Zusammenarbeit. Die Idee, sich ein Land einfach zu krallen und einzuverleiben, hatte man nach zwei blutigen europäischen Kriegen ad acta gelegt.

Bei Putin ist das anders. Der Ex-KGB-ler, sozialisiert im kalten Krieg und in seinem Denken dort noch verankert, sah dem ukrainischen Treiben der Wochen lauernd zu. Er griff nicht ein, unterstützte den prorussischen Janukowitsch nicht und rettete ihn auch nicht mit einem militärischen Vorgehen. Er wartete ab, plante.

Wenn sich irgendwann einmal die russischen Archive wirklich öffnen, wird man vielleicht auch sehen, dass das ukrainisch-russische Abkommen nicht nur auf einen offensichtlichen wirtschaftlichen Schulterschluss abzielte, sondern im Kern auch gedacht war, den innewohnenden Keil weiter durch die pro-westlichen und russlandfreundlichen Bürger der Ukraine treiben. Wollte Putin vielleicht damals schon einen Konflikt schüren, den er jetzt erntet?

Gut möglich. Durch das Abkommen wurden die Unruhe in der Bevölkerung gesteuert, die Revolution nahm ihren Lauf. Die Ukraine wurde kopflos. Und in diese Wirren greift Putin ein, lässt die Krim besetzen und eine Volksabstimmung durchführen. Vordringlich, um die russische Bevölkerung zu schützen. Ein ähnliches Vorgehen gab es in Europa zuletzt im Jahre 1938 und Frühjahr 39. Damals fielen Österreich und Teile der Tschechoslowakei dem Deutschen Reich zu bzw. wurden militärisch besetzt. Hitler stieß dabei auf eine zaudernde westliche Welt – und machte sich dies zunutze.

Es ist nicht das erste Mal, dass Russland in den letzten Jahren seine Grenzen erweitert oder durch Pufferstaaten sichert: Südossetien und Abchasien nach dem Kaukasuskrieg 2008. Und vielleicht erleben wir mit der Annexion der Krim gerade eine Wiedergeburt eines vorgeschobenen panslawischen Imperialismusunter russischer Führung. Zur Sicherheit gibt es noch eine Volksabstimmung, damit alles Rechtens zuzugehen scheint.

Sicher jedenfalls ist, dass ein wirtschaftlich angeschlagenes und korrputes Russland seine Großmacht in der Welt wieder militärisch definiert – eine Vorstellung, die man zumindest in Europa vor rund 20 Jahren ad acta legte. Putin definiert seine politische und militärische Einflusssphäre neu. Für die europäischen Staaten ein unvorstellbarer Vorgang.

Kommt Putin damit durch? Vermutlich ja, denn der Westen hat keine politischen Interessen in der Ukraine, für die er hart kämpfen würde.

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