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Der technikbegabte Bombendroher von Troisdorf
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Am Montag war in Troisdorf die Hölle los: Es gab eine Bombendrohung an der Realschule Troisdorf am Heimbach. An der späten Räumung der Schule entzündete sich heftige Kritik, nicht nur von empörten Eltern, die erst aus den Medien erfuhren mussten, dass ihr Kind statt in der Schule irgendwo ist.

Dabei erhielt die Polizei bereits Sonntagnacht den ominösen Anruf, um den es jetzt geht – und ermittelte, weil man ihn nicht wirklich ernst nahm, und zudem hoffte, dass man den Typen schnappen würde, bevor der Schulbetrieb beginnt, wie es im EXPRESS und anderen Medien beschrieben wird. Über diesen Umgang mit einer Drohung kann man zurecht streiten. Alleine die Frage, was gewesen wäre, wenn eine Bombe bereits in der Schule gelagert hätte oder möglicherweise früher zündete als zur angegebenen Mittagszeit, lassen vielen Eltern die Haare zu Berge stehen und lösen nur Kopfschütteln aus.

Interessant ist aber die technische Frage. Natürlich liegen aus “ermittlungstaktischer Sicht” nicht alle Erkenntnisse der Polizei offen, aber: Der Anrufer, der sich als Schüler der neunten Klasse ausgab, brachte nicht nur technischen Sachverstand mit sich, auch ein gewisses Maß an Wissen über Abläufe bei Behörden.  Und aus Sicht der Technik ist der Fall höchst interessant!

  1. Die Telefonnummer war nicht seine eigene, sondern auf fremden Namen gemeldet. Bei einer Handynummer, wie der EXPRESS aktuell schreibt, ist das  nicht allzu schwierig, sondern mit wenig Aufwand machbar, trotz anderslautender Richtlinien und gesetzlicher Vorgaben.
  2. Möglicherweise könnte er auch über einen Hack in einen fremden Router eingedrungen sein, dort über Voice-Over-IP Schalte  per Festnetz angerufen haben. Nicht erst seit dem letzten Fritzbox-Hack keine theoretische Option.
  3. Die Stimme war elektronisch verzerrt, oder künstlich. Unklar, aber problemlos machbar. Text-to-speech Programme sind für alle Betriebssystem verfügbar und nicht rückverfolgbar, Voice-Scrambler gibt es seit Jahrzehnten.
  4. Weil er es nicht musste, unterdrückte er seine Nummer auch nicht – und lockte die Polizeibehörden auf die möglicherweise fatale falsche Fährte. Die glaubten daher, es handle sich wirklich um einen Schüler mit wenig Ahnung – passend für einen vermeintlich 15-Jährigen Schüler, der eine Klassenarbeit verhindern wollte. Erst als die Ermittlungen dorthin in eine Sackgasse führten,  beziehungsweise laut Rhein-Sieg-Anzeiger offenbar in Hamburg und Süddeutschland im Sande verliefen, war den Beamten klar: Es könnte etwas an der Drohung dran sein.
  5. Zudem hoffte die Polizei auf Hinweise durch die Lehrerschaft am frühen Morgen. Auch das brachte nichts, deshalb die extrem späte Räumung (10.15 Uhr, bei einem angedrohten Attentat um 11.30 Uhr).
  6. Er publizierte anscheinend ein Video auf Youtube, mit dem Mitschnitt des Gesprächs. Dass verschwand allerdings rasch wieder. Möglicherweise ließe sich das über die IP-Speicherung finden – aber dank VPN-Tunnel od. anderen Möglichkeiten, öffentlichen Hotspots, ist die elektronische Fährte zu Ende. Bliebe eine physische Aufnahme beim Hochladen (zufällige Kameraüberwachung öffentlicher Plätze, Glückstreffer).
  7. Später erklärte er in einem zweiten Anruf, der ebenfalls nicht verfolgbar scheint, es tue ihm leid, alles sei nur ein Scherz, er wollte das nicht.
  8. Es bleiben die gewöhnlichen technischen Nachverfolgungen über eine Funkzellenortung. Nachträglich ist die machbar. Angesichts des Wissens, kann man davon ausgehen, dass sich die Person auch darüber Gedanken gemacht hat.

Noch liegen nicht alle Fakten auf dem Tisch, die Ermittlungen laufen. Aber bevor jetzt Rufe zur Vorratsdatenspeicherung und mehr Überwachung aufkeimen: Bei einem solchen Vorgehen hätten die Ermittlungsbehörden auch dann keine Chance. Es bleibt die Hoffnung auf einen zufälligen Fehler.

Mein Tipp: Es war tatsächlich ein technisch gewiefter Schüler oder Ex-Schüler, beziehungsweise ein Bekannter mit viel Sachverstand. Niemand sonst sucht sich eine unwichtige Schule im Bonner Speckgürtel aus. Die Chance, ihn über eine elektronische Fahndung zu finden, sind angesichts der bisherigen Kenntnisse eher gering. Wenn es doch elektronische Spuren bei Google  gibt, müssten die schnell gesichert werden.

Was jetzt gefragt ist, ist die Kernkompetenz der Polizei: Gute Ermittlungsarbeit, aufwendige Befragung der rund 750 Schülern und Lehrern. Die Chancen liegen da vergleichsweise gut.

  1. Möglicherweise könnte er auch über einen Hackin einen fremden Router eingedrungen sein, dort über Voice-Over-IP Schalte

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