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Automatenjournalismus und Content-Kooperationen bei Focus Online
Sebastian Eckert comment 0 Comments

Focus-Online-Mutter BurdaForward setzt seit einigen Jahren bereits auf Content-Kooperationen. Neben Lokalnews, darunter Artikeln aus Redaktionen der DuMont-Gruppe existieren unter anderem Kooperationen mit den Medien des ADACs. Das Ziel dahinter ist, das größte Informationsangebot neben Google und Facebook ausbauen.

Focus agiert dabei als reiner Distributor, die Artikel werden klein mit der medialen Herkunft gebrandet, die AGOF-Messungen verbleiben bei den Mutterhäusern. Die Einnahmen werden geteilt, heißt es in den Berichten.

Die Content-Lieferanten profitieren dabei auch von der starken SEO-Position und Reichweite von Focus Online, welches wiederum durch die Artikelvielfalt vergrößert wird.

Zwei Probleme gibt es dabei.

Problem Automatisierung

Möglichst automatisch findet dies alles statt. Das Problem dabei ist weniger die automatisierte Zweitverwertung von redaktionell erstelltem Inhalt. Man kann davon ausgehen, dass Journalisten seriöser Medien jedweder Couleur meist sauber arbeiten und ausgewogen berichten (natürlich mit Ausnahmen).

Vielmehr bergen andere Quellen eine Gefahr für das Projekt. Focus Online übernimmt nicht nur redaktionelle Presseinhalte, sondern auch Pressemeldungen aus seriöser Quelle, etwa Polizei- und Wehrinformationen.

Wer aus dem Geschäft kommt, weiß, dass diese nur mäßig für eine automatisierte Einspielung geeignet sind. Neben sprachlichen Problemen verlassen auch Meldungen die Amtsstuben, die inhaltlich geprüft und gegebenenfalls nachbereitet werden müssen.

Diese mit dem kleinen Hinweis auf eine offizielle OTS-Meldung ohne Prüfung zu versehen, ist zwar richtig. Doch der Leser versteht dies nicht. Für ihn ist das eine gewöhnliche, redaktionelle Focus-Online Meldung in furchtbarer stilistischer und redaktioneller Qualität. Beispiel:

Polizeidirektion Neumünster: Pdnms Ergänzung zur Ots-Meldung 180504-2 pdnms

Meldungen werden nicht mehr auf ihren Inhaltsgehalt aufbereitet, PR versteckt sich ebenfalls unter der Marke.

Der Vertrauensverlust setzt ein.

Keine Prüfung fehlerhafter Meldungen

Richtigerweise bleibt anzumerken, dass Meldungen umzuschreiben zum lästigen Tagesgeschäft eines Journalisten gehören. Aber es ist auch der Kern ihrer Tätigkeit: Die behördlich gelieferte Geschichte kurz abklopfen, die Stimmigkeit des Hergangs prüfen, sie lesbar schreiben.

Kann das ein Automat auch? Klar, damit hat der Journalist Zeit für richtige Artikel. Ist die Qualität der Meldung jetzt und in Zukunft gesichert? Kaum. Sprachlich wird eine Maschine in der Lage sein, die Sätze sinnvoll neu zu ordnen und zu kürzen. Auch der Hergang eines Unfalls etwa kann über eine Datenautomatisierung geprüft werden. Fehler in der Beschreibung, etwa wenn links und rechts beim Abbiegeunfall durch den die Pressestelle der Polizei verwechselt wurde) können so auffallen und an richtige Journalisten gemeldet werden.

Für die Prüfung einer Meldung im inhaltlichen

“Gleichgeschaltete System-Medien”

Durch solche Automatisierung geht viel Vertrauen verloren; übrigens auch bei den regionalen Content-Lieferanten. Für Leser, die interessiert nach neuen Informationen googlen, entsteht der Eindruck: Alle schreiben wortwörtlich voneinander ab.

Wer sowieso bereits seinen Aluhut in der Tasche hat, für den dienen die wortgleichen Artikeln aus scheinbar zwei Quellen seriösen Namens als Beleg.

Verlust der Vielfalt

Das Redaktionssterben ist nicht neu. Mantelteile ganzer Regionen haben im Print inzwischen weitestgehend die gleiche Berliner Redaktionsquelle. Dass der umgekehrte Weg, Regionalnews quasi in FOCUS-Ummantelungzusammenzufassen, sicherlich lohnenswert für beide Parteien ist und Redaktionen durch zusätzliche Vermarktung der Inhalte retten hilft (Ich empfehle das Fazit meines Artikel von 2013 zum Thema Content und Vermarktung).

Dennoch bleibt ein schaler Geschmack. Verlage und Focus profitieren von der Kooperation, der Leser aber verliert den Bezug zu journalistischen Marken und deren Positionen im Medien-System. Es wird so immer schwerer, jemandem die Qualität eines Artikels zu erklären, wenn nur klein der redaktionelle oder gar behördliche Ursprung erwähnt wird.

Plötzlich ist alles ein FOCUS Online Artikel.

Content Aggregator unter der Flagge eines Content-Producers

Da eine Ablösung des Content-Aggregators FOCUS Online von dem Printmagazin nur schwerlich möglich ist, und eine Umbenennung aus strategische Sicht wenig gewinnbringend, bliebe nur, darauf zu setzen, dass langfristig die Menschen realisieren: FOCUS Online ist kein reines Redaktionsmedium mehr, sondern eine Shared-News-Plattform wie Google-News oder Facebook mit teils eigenen Inhalten höchst unterschiedlicher Genese.

Dies wird allerdings noch einige Zeit brauchen.

Aggregation Conten FOCUS Online Regionalnews

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