Es gibt Gründe für das Sterben des Fachhandels. Das Internet ist es nicht. Dass immer mehr Käufer ins Internet gehen, statt zum Kleidungsladen an der Ecke ist nur ein Symptom.
Auch der leicht höhere Preis im Fach- und Einzelhandel ist nicht Ursache dafür, dass ich keine Briefumschläge in Bonn kaufen kann. Das Problem ist schlicht der Komfort.
Ich kaufe gerne in Geschäften, weil ich die Waren sofort bekommen kann. Im Internet dauert das aktuell im Durchschnitt drei Tage, auch wenn Amazon es in Bonn schon gelegentlich in Tagesfrist schafft.
Verfügbarkeit
Und dennoch zieht es mich immer weniger in Läden. Der Frust-Faktor ist zu hoch. Kleidung passt nicht, die Größen aus dem Internet sind im Geschäft auch nicht verfügbar.
Viele Geschäfte haben zudem ihre Lager aus Kostengründen geleert, sodass Produkte ausverkauft und “bestellt” werden müssen. Das dauert dann auch nicht drei Tage, sondern oftmal eine Woche oder länger.
Beratung und Service
Gerne wird als Argument die Fachberatung genannt, die es im Internet nicht gäbe, oder von “Beratungsklau” gesprochen. Abgesehen von den wenigen wirklichen Fachhändlern in Bonn, die es noch gibt, ist das Augenwischerei.
Natürlich gibt es sie noch, Inhabergeführte Läden wie P&M Elektronik in Bonn, Tabak- und Spirituosenfachgeschäfte, oder ausgebildete Fachkräfte wie einen älteren Herren bei SinnLeffer, der Auskunft und Beraten kann, bei denen Beratung sogar im Vordergrund steht.
Doch Beratung alleine zieht nicht mehr als Verkaufsargument. Das schafft das Internet inzwischen auch, zudem arbeiten in vielen Geschäften statt (an)gelernter Fachkräfte Minijobber ohne besondere Tiefenkenntnis oder Wissen über das Warenangebot.
Auch servicemäßig sieht es düster aus. Kartenzahlung erst ab 10 Euro, falls überhaupt, andere Zahlungsmittel werden nicht akzeptiert. Paypal ist ein Fremdwort.
Präsenz im Internet
Viele der Fachgeschäfte haben noch immer keine vernünftige Webseite. Öffnungszeiten hat sich mit Glück Google irgendwo zusammengeklaubt; ob die Stimmen, weiß man aber auch nicht. Ob das gewünschte Produkt überhaupt verfügbar ist, weiß man auch nicht. Von Onlineshops, bei denen man sich die Sachen zusammenklicken kann, ganz zu schweigen. Die Gebühren für Kartenzahlung liegen übrigens bei acht Zent oder einigen Promill der Rechnung. Die könnte man immer draufschlagen oder einpreisen – selbst am Kiosk.
Lieferung
Wuppertal hat es vorgeführt: Man könnte auch lokal vernetzt denken, mit einem Portal, dass Produkte abends auch nach Hause liefert. Nicht einmal Amazon könnte dies zeitlich unterbieten: Tagsüber bestellt, abends da – oder zumindest abholbereit am Laden.
In der Bonner Nachbarschaft haben Geschäftsinhaber in einer Protestaktion gegen den Onlinehandel ihre Schaufenster verhängt. Sie könnten natürlich selbst eine Shoppingplattform oder Onlineshops aufbauen, vielleicht sogar gemeinsam.
Events
Shoppen als Erlebnis, das soll eine Lösung sein. Mit Aktionen sollen wieder Kunden angelockt werden. Nur: Wenn ich ein USB 3.0 auf 2.0 Kabel möchte, kann ich es aktuell in Bonn nicht kaufen. Ich kann es bestellen, aber das kann ich bei Amazon auch. Und dann kostet es auch keine 15 Euro, sondern nur sieben.
Zudem sind Events genau das, was vielen Kunden das Einkaufen madig macht: Volle Innenstädte, lange Schlange, unfreundliche Menschen, die drücken und schieben und nach Warenstücken greifen, als ob es kein Morgen mehr gibt.
Ich will das nicht.
Ich kaufe gerne in Geschäften, weil hier Produkte verfügbar sind oder sein müssten, und zwar sofort. Ich gehe gerne in Geschäfte vor Ort, weil ich in Einzelfällen eine Beratung brauche und schätze. Damit punkten kann man aber heute nicht mehr, auch das Netz hat gute Informationen.
tl;dr
Statt über das Netz und böse Kunden zu klagen, die nicht mehr in die Geschäfte gehen, sollte man sich lieber auf die Bedürfnisse der Kunden heute einstellen.
Previous Next