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Über Terrorismus und Twitterfotos
Sebastian Eckert comment 0 Comments

“Wie kann es denn sein, dass Terroristen einfach so  über die Grenzen fahren, ohne dass sie jemand daran hindert?” “Wir brauchen einen besseren Datenaustausch der Geheimdienste.” “Ein Anschlag auf das Herz Europas.” “Vorfeldkontrollen vor Flugplätzen und Bahnhöfen.” “Bild auf Twitter hochgeladen: Anschlag steht bevor”.

Nur fünf Sätze und Forderungen, wie sich durch die Anschläge im Umlauf sind. Und doch sind die Gedanken dahinter falsch.

Warum können Terroristen einfach so von Frankreich nach Aachen und Brüssel fahren? Weil wir in einem Europa der Freiheit leben.  Weil alle Bürger frei über die Grenze fahren können. Würde man verlangen, dass Terroristen nicht mehr einfach so unerkannt und -gehindert über die Grenzen fahren, ginge dies nur, wenn erstens alle Grenzübergänge überwacht würden – auch die kilometerlangen grünen Grenzen, mit einem hohen, unnützen Personalaufwand

Doch das reiche ja nicht. Die wenigsten Terroristen haben sich bislang das von der EU geforderte rote T auf die Stirn tätowieren lassen. Wer Terrorist ist, das lässt sich nur durch penible Ausforschung beweisen, oder erst nach einem Anschlag.

Folglich müsste man, zur Sicherheit, dass niemand Terrorist ist, Grenzkontrollen für alle einführen. Aus Angst, dass ein paar schwarze Schafe die Freiheit aller ausnutzen. Und das ist, was Terroristen wollen: Angst verbreiten, das freiheitliche Leben vernichten. Einen anderen Lebensstil aufzwingen.

Dasselbe gilt für die Geheimdienstaktivitäten. Denn es geht nicht nur um besseren Austausch von Informationen über Terroristen. Geheimdienste geben solche Daten weiter, wie etwa Hannover, Bremen und Braunschweig zeigten. Dort kamen Infos von Geheimdiensten. Brüssel und Paris gelangen nicht wegen Mangel an Geheimdienstinformationen über die Terroristen.

Herz Europas vs. Vorortterrorismus

Vielmehr waren die Terroristen schon da, es ist, wie nahezu der gesamte islamistische Terror in Europa, ein Vorortterrorismus. Ziele werden nicht nach globalen oder transnationalen Gesichtspunkten ausgewählt, sondern man nimmt das, was man kennt. Ein Tannenbuscher Terrorist wollte eine Bombe im Bonner Hauptbahnhof legen, nicht im Kölner. Die Brüsseler Attentäter kamen aus einem Vorort. In Madrid lebten viele der Madrider Massenmörder.  Fast alle der Pariser Attentäter waren Franzosen, lebten in Paris.

Der Anschlag auf das Herz Europas war also im Kontext nur das, was der islamische Terror seit langem ist. Vorortterrorismus. Das liegt wohl eher nicht an einer bewussten Entscheidung, sondern lässt sich vermutlich mehr auf die Sozialisierung der Attentäter zurückführen. Sie sind in einer kleinen Welt aufgewachsen. Statt Anschlagsversuchen vor politischen Symbolen, etwa vor dem Reichstag, vor. In Oberursel bei Frankfurt soll ein gescheiterter Chemiestudent eine stümperhafte Bombe gebaut haben, um damit irgendwas in die Luft zu jagen. Ein Radrennen wurde abgesagt. Anschlag auf ein Radrennen, wenn nur wenige Meter in der Nähe die wichtigste Finanzmetropole des Festlandeuropas liegt?

Vorfelduntersuchungen schützen Mobiliar

Islamisten stehen auf Bahnhöfe und Nahverkehrsinfrastruktur. Liegt vermutlich daran, dass sie aus Prinzip schlecht zu schützen sind, und natürlich auch daran, dass im Koran öffentlichen Nahverkehr nicht kannte. Scherz beiseite: Ein Bahnhof und Flughafen ist ein einfaches Ziel.

Relativ viele Leute auf einem Punkt, dazu viele Kameras, die alles aufzeichnen, und Angst bei Leuten, die erst morgen fliegen. Und Angst ist ja das Ziel von Terroristen.

“Vorfelduntersuchungen” werden daher empfohlen. Heißt: Terroristen sollen sich bitteschön nicht im Flughafen in die Luft jagen, sondern vorher erkannt werden, sich vorher in die Luft sprengen. Also auf dem Zubringer? Die Folgen davon wäre eine Verlagerung des Explosionsort. Nominell ist der Flughafen zwar sicher, die Bevölkerung aber nicht.

Hinzu kommt die wachsende Überwachung, das wachsende Misstrauen. Menschen in Maschinengewehren patrouillieren. Nach Brüssel wurden die Polizisten im Flughafen Köln/Bonn mit Maschinenpistolen ausgestattet. In Paris im April 2015 liefen Trupps in martialischer Formation vor Kirchen und Bauwerken entlang, immer die gleiche Route. Je dicker die Waffe, desto sicherer? Nein, nur im Anschein.

Eine Gesellschaft, die Knarren braucht, hat bereits viel von Sicherheit und Freiheit eingebüßt.

Twitterfotos und das Medienversagen

Und da ist dann noch das Bild auf Twitter vom Köln/Bonner Flughafen. Dick wird darüber berichtet, dass der IS ein martialisches Bild mit dem Text: Was deine Brüder in Belgien schaffen, schaffst du auch”,  und ein zweites “Deutschland ist ein Schlachtfeld” hochgeladen haben, gezeigt werden Flughafen und Kanzleramt.

Diese Bilder dienen dazu, Menschen zu radikalisieren: Um Nachwuchs zu werben, und um Angst zu machen. Die Radikalisierung kommt so oder so, wer will, folgt dem IS auf Twitter.

Angst aber werden durch solche Berichterstattung, ohne abzuwägen, nur in der Bevölkerung geschürt. Denn wer kündigt an, am Flughafen einen Anschlag zu machen, wenn er es wirklich vorhat? So etwas ist Propaganda in Reinform. Und die Medien machen sich zum Gehilfen, wenn sie darüber derart berichten.

Das Muster ist einfach: “Ein Bild ist aufgetaucht.” “Die Behörden nehmen es ernst.” Die Behörden nehmen solche Fotos natürlich ernst, was sollen sie auch sagen?

Terrorismus funktioniert asymmetrisch. Man nutzt die Schwächen des Gegners. Und das ist unsere Freiheit, die Freiheit der Medien, der Menschen, des Systems, der Religionen, des Rechtsstaats. Sie ist zugleich unser wichtigstes Gut und unsere Stärke.  Man will uns weismachen, wir wären nicht mehr sicher. Man will Panik bei uns schüren, Angst haben. So viel, dass wir bereit sind, Dinge aufzugeben, aus irrationaler Angst. Wir sollen Angst haben, wo keine Furcht nötig wäre. Davor, einen Bahnhof zu betreten, ohne dass das Militär patrouilliert. Vor fremdländischen Menschen. Wir sollen fordern, dass alles, was nicht normal ist, als gefährlich angesehen und bekämpft wird.

Das führt dann dazu, dass Bevölkerungsgruppen, Zielgruppen für Terroristen, ausgegrenzt werden werden. Dass es zu einer weiteren Radikalisierung kommt. Bislang sind es die, die in der Gesellschaft verloren wurden. Dann kommen die, die man ausgegrenzt hat.

Eine Radikalisierung beiderseitig, die zum Ende der freien, gleichen und toleranten Gesellschaft führt, und zu einem Unfrieden, der den Staat zersetzt.

Lasst euch von Twitterfotos nicht verunsichern, lasst Katzen Katzen sein und Kontrollen nur dort, wo relevante Defizite sind, zulassen. Verlangt keine schwerbewaffneten Soldaten statt Bürger-Polizisten. Redet mit Nachbarn, grenzt keinen aus, Fördert die Menschen in Problemvierteln, und lasst keinen zurück. Steht nach Anschlägen auf die Freiheit zusammen. Verhindern wird man sie nie können. Aber wenn die Gesellschaft bleibt, dann verlieren die Islamisten.

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