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Occupy Hofgarten: Die Scheuklappen-Generation
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<rant> Man möchte einfach nur den Kopf schütteln. Was derzeit in Berlin passiert, tritt die vielbeschworene Generationengerechtigkeit nicht nur mit Füßen. Nein, diese wird abgeschlachtet, ausgeweidet und anschließend bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Doch der betroffenen Jugend ist es egal.

Die Große Koalition (III.) unter Kanzlerin Angela Merkel möchte die Rente mit 63 einführen. Und die Mütterrente. Kosten: Vermutlich zwischen 4,4 Milliarden und später elf Milliarden Euro. Pro Jahr!  Unbefristet. Doch statt das Renteniveau zu kürzen, was gerecht wäre, “finanziert” man das anders. Erst aus den Rücklagen. Danach sollen das die Arbeitnehmer zahlen. Sie müssten eigentlich 0,6 Prozent mehr Lohn bekommen, der Beitragssatz fällt auf 18,3 Prozent. Doch das wird gestrichen. Etwa 200 Euro im Jahr wären das bei einem Durchschnittsverdiener. Eine Entlastung, die jeder Arbeitnehmer spüren würde. Pech gehabt. Später könnten die Beiträge wieder steigen.

Die aktuelle Große Koalition möchte die vermurkste Energiewende retten. Aber stromverbrauchende Firmen schonen. RWE soll auch etwas bekommen, damit die rußenden Kohlemeiler weiterhin hochfahren und die Klimabilanz verschlechtern, damit die Spannung im Netz nicht abfällt. Bis Ende 2030 fallen laut Ex-Umweltminister Peter Altmaier Kosten von 1.000 Milliarden Euro an. Alleine 2013 waren es 20 Milliarden, und es werden in Zukunft deutlich mehr.  Denn  der deutsche Strom ist derzeit zu billig, daher steigt die EEG-Umlage stärker als gedacht.

Deshalb plant man einen energetischen Generationsgerechtigkeits-Fond, sprich: Die Kinder in Zukunft sollen dafür zahlen, dass die Politik heute versagt hat. Problem gelöst? Immerhin: Die Kosten sind im Vergleich zur Mütterrente eher gering, mit “nur” 109 Milliarden Euro bis 2030.

Bis es soweit ist, werden die Strompreise wohl pro Jahr um zweistellige Prozente mehr Zahlen, bei 3500 KWh Verbrauch wären es 39,60 Euro im Monat. Alleine dieses Jahr.

Ist man dann noch ein armer Arbeitnehmer, kassiert also nur den neuen Mindestlohn, leidet man auch noch unter der kalten Progression und dem Steuertarif. Seit Jahren zieht der Staat inflationsbedingt den Lohnverdienern Geld aus der Tasche, das ihm laut der Steueridee eigentlich gar nicht zustehen.

Denn: Verdient ein alleinstehender Arbeitnehmer jetzt 8,5 Euro statt 7,5 Euro bei Vollzeit, zahlt er fast doppelt so viel an Steuern (+400 Euro) – obwohl nur 2000 Euro mehr in der Tasche sind.

Um es noch deutlicher machen: 1958 verdiente man durchschnittlich 5.330 DM (ca 2500 Euro), der Steuerfreibetrag lag bei 839 Euro, der Spitzensteuersatz von 58 Prozent(!) griff erst bei  rund 56.200 Euro. Heißt: Der Durchschnittsverdiener zahlte fast nichts.

Der heutige Steuerfreibetrag liegt bei 1.000 Euro, Steuern zahlt man ab 8.354 Euro Einkommen, durchschnittlich verdient der Deutsche etwa 32.000 Euro. Heute greift de Spitzensteuersatz bei rund 52.000 Euro – fast der selbe Betrag wie 1958, nur liegen heute 56 Jahre Inflation dazwischen.  Heißt: Arbeitnehemer  blecht ordentlich, und mit jeder Lohnsteigerung nochmal mehr.

Doch die Geschenke an die Rentner machen den Kampf gegen die kalte Progression zunichte. Keine Anpassung, keine Reform, weil kein Geld, dafür sprudelnde Steuereinnahmen. Präsente sind ok, zahlen tun die jungen Arbeitnehmer. Die auch noch privat vorsorgen sollen, denn ihre Rente und Pflege im Alter lässt sich kaum noch finanzieren. Und Kinder, die sollen sie am Besten auch noch bekommen. Und Häuser bauen. Riestern sowieso. Doch je mehr wir schuften, je mehr wir verdienen, desto höher sind die staatlichen Lasten, die wir tragen. Außer wir verdienen ordentlich.  Richtig ordentlich. Unbefristete Festanstellungen gibt es auch nicht mehr, wegen des strikten Kündigungsschutzes.

Den jungen Menschen scheint das egal zu sein, wir haben resigniert, ohne es zu wissen. Keine Proteste, keine Revolten, keine Demonstrationen vor Parteizentralen oder Ortsvereinen. Statt “Occupy Berlin”, statt kollektiver Gegenwehr oder auch nur einem Brief oder gar Mail an die Vertreter im Bundestag, geht es in die Sonne am Hofgarten, nach Südfrankreich, zum Oktoberfest. Mit einem kühlen Bier in der Hand.

Sollen die da oben nur machen. Bis das System kollabiert… Noch nie war eine junge Generation so unpolitisch, so desinteressiert, wie die aktuelle. Je kleiner die Welt dank Internet, dank Schengen, dank Informationsflut und dank Billigflieger wird, desto kleiner wird auch der Gedanke an die eigene Zukunft.  Occupy Hofgarten. Den Rest erledigen die anderen.

Das ist traurig. </rant>

<tl; dr> Die Leuchtturmprojekte der GroKo und die kalte Progression kosten die (jungen) Arbeitnehmern viel Geld. Doch denen ist das herzlich egal.

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