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Es kommt kulturelle Bewegung nach Bonn
Sebastian Eckert comment 0 Comments

Bonn ist halb so groß wie der Zentralfriedhof von Chicago, aber doppelt so tot”, sprach einst der Autor John Le Carré. Vermutlich konnte er schon dank damaliger QCHQ-Ausrüstung einen Blick in die heutige düstere Lage der Stadt werfen, zumindest was Kultur und Freiräume angeht.

Denn besonders Künstler aus dem Bereich der nichtkommerziellen Kultur vermissen Platz zum entfalten. Sportler, die vielleicht später gerne mal bei den X-Games in Los Angeles antreten wollen, haben keinen Raum zu arbeiten. Es fehlt an Proberäumen, günstigen Ateliers, freien Bühnen. Gleichzeitig verhindert ein überbordendes Reglement, dass solche Freiräume existieren können und dass Veranstaltungen organisiert werden.

Inzwischen haben das Regelkorsett auch publikumsträchtige Veranstaltungen zu Fall gebracht. War es dereinst die Rheinkultur, sind derzeit auch der Kunst!Rasen in den Rheinauen, Public-Viewing-Veranstaltungen und auch die Klangwellen betroffen. Zwar sind letztere offiziell verlegt worden, raus aus der Innenstadt an den Alten Zoll in Rheinnähe. Aber es wird nicht lange dauern, bis der erste Beueler sich durch den vermeintlich fiesen Mix aus Beethovenklassikern und Rockmusik gestört fühlt.

Dass die Verwaltung unflexibel ist und eine wachsende Kunst- und Kleinkunstszene bremst, zeigt sich auch im Beispiel des Alten Schlachthofs. Statt diesen an Künstler zu vermieten oder ihnen gar kostenlos zu überlassen, lässt man das Gelände lieber leerstehen und verzichtet so auf Mieteinnahmen bis zu 800.000 Euro. Wie es mit dem Schlachthof weitergeht, ist noch unklar. Fast zwei Jahre stand er schon leer, mindestens eines wird es noch sein.

Ähnlich ist es mit anderen Objekten in Bonn. So hätten kurzfristige Mietverträge nicht nur Leerstand verhindert, sondern auch das arge gebeutelte Stadtsäckel etwas gefüllt. Vielleicht aus Angst vor Besetzungen, vielleicht aus Angst vor linken Kulturzentren. Dass im Endeffekt aus einer aktiven Künstlerszene später große Namen erwachsen können, vergisst man leider zu leicht heutzutage. Dass langfristig Künstler zur Gentrifizierung beitragen, Stadtviertel aufwerten und Problemzonen befrieden, wird auch in Bonn ignoriert. Nicht jeder Künstler wie Beethoven kann auf Eltern hoffen, die Geld oder zumindest Einfluss haben.

Auch deshalb demonstrierten am Samstag rund 800 Leute tanzend und laut gegen die derzeitige Lage in Bonn. Mit dabei waren nicht nur die üblichen Demo-Verdächtigen, sondern viele Gesichter aus der Kunst- und Kulturszene, die am Rand von Stadt und Medien Dinge erschaffen.

Wie erwartet, waren es weniger als die angemeldete Zahl und deutlich weniger als die 30.000 Bonner, die bei “Bonn kann mehr” mitmachen. Aber immerhin konnten diese bei der Demo eine kleine Party feiern und damit mehr Aufmerksamkeit für ihre Ideen erregen, als sie es bei einer angemeldeten Veranstaltung bekommen hätten.

Um 19.45 Uhr war übrigens Schluss. Danach verwandelte sich die Bonner Inennstadt wieder in einen beschaulichen Ort der Ruhe und Stille.

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