Bonn – Bonn haftet ja bekanntlich dieser piefige Bundesstadt-Geruch an; die Überreste von vierzig Jahren Hauptstadt-Flair, das inzwischen mehr und mehr zu einem Bundesfreilichtmuseums-Odeur des Stillstands beitragen.
Wie schön Vintage dagegen auch sein kann, das zeigte die erste Bonner Vintage-Messe “Vintage-Weekend”. Und tatsächlich gibt es keinen besseren Ort für ein solches Unterfangen als das BaseCamp Bonn.
In der riesigen Halle in der Straße „an der Raste“, wo all die verrückt gestalteten Wohnwagen parken und alte Bundesbahnwaggons durch die Wände gerammt wurden, dort stellten erstmals Aussteller ihre Vintage-Dinge seit den 20ern aus. Oder zumindest das, was man heute unter dem Sammelbegriff Vintage, Retro und Rockabilly so anbietet. „Wir sind eine Mischung aus Vintage Mode und Entertainment“, stellt BaseCamp-Sprecher Thomas Lenz vor.
30 Aussteller waren zugegen, um Bonns Vintage „Testballon“ aufsteigen zu lassen, davon vier aus der Bundesstadt. Darunter gab es auch Überraschungen:
Eine echte Schatztruhe voller Originalkleider und Roben fand sich bei „Sterling Gold“ Aus Berlin war Inhaberin Maria Michaela Kühne nach Bonn-Endenich gezogen. Im Gepäck: 80 000 Kleidungsstücke mit historischem Hintergrund. Kleider, die von Stars oder Sternchen in den USA getragen wurden. Das Geschäft hatte einst der Vater, gelernter Modedesigner, vor 40 Jahren aus der Taufe gehoben, inzwischen führt es Tochter Kühne weiter.
Wie speziell das Angebot doch ist, zweigen nicht nur Lampenverkäufer, sondern auch ein Schilddesigner. Unter dem Label „Classic Custom Signs“ gestaltet Michael Merx individuell gestaltete Werbeschilder, und das sogar mit Glühbirnen. Glühbirnen, das sind die LEDs der Schallplattengeneration. In Europa ist der Import verboten. „Wir haben aber noch einige auf Lager, meint Merx verschmitzt. Liebevoll gestaltet der gelernte Aachener Schilder- und Lichtreklamehersteller seit zwei Jahren solche Werbetafeln von Hand, eine Tradition, die in Deutschland weitestgehend ausgestorben ist. Retro-Fans aufgepasst: Witzig-gestaltete Tafeln gibt es bereits ab 40 Euro.
Auch Verlag SWAY war vor Ort, und natürlich der Vintage-Flaneur, das Bonner Vintage-Magazin, dass seit zwei Jahren für Aufmerksamkeit auf dem Markt sorgt. Das Magazin, aus einem Hobby heraus entstanden, organisierte das Wochenende mit und zeigt, dass man in der Bundesstadt kulturell etwas bewegen.
Ein Kernpunkt der Veranstaltung war auch das ausgefallene Bühnenprogramm. Nicht fehlen durfte eine Miss-Wahl, Realtime-Tattoos und Modeschauen. Neben Tanzkursen, bei denen den Besuchern ein ordentlicher Hüftschwung beigebracht wurde, standen Bands wie die Zucchini Sistaz und die Foggy Mountain Rockers auf der Bühne, bot auch ein Barbier seine Dienste an. Witzige Idee: Besucherinnen konnten sich umstylen lassen, und sich dann im Retrolook in einer Küche fotografieren zu lassen. Damals war die Welt halt noch in Ordnung…
Auch wenn die 15 Euro teuren Eintrittspreise gerne günstiger sein könnten, um Publikum anzulocken, und sich einige Aussteller über die leicht zu hohen Preise mokierten, war das Angebot recht stimmig. Rund 5000 Besucher fanden sich laut Veranstalter ein, genossen die Vintage-Atmo der Halle und des Außengeländes mit seinen Oldtimern.
Ob man aus Bonn einen Vintage-Hotspot wie das Ruhrgebiet machen kann? Man darf gespannt sein aufs nächste Mal.
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