folder Filed in Medien, Welt
Ab wann ist Sterben offensichtlich genug?
Sebastian Eckert comment 0 Comments

Während in norditalienischen Städten ganze Großelterngenerationen verschwinden, in Spanien wochenlang keiner auf die Straße darf, in New York zusätzliche Massengräber ausgehoben wurde und in den Gesamt-USA aktuell jeder vierte Infizierte seine Erkrankung mit dem Tod beendet, schippern wir in Deutschland wie auf dem Schiff der Glückseligen durch die Corona-Pandemie.

Seit ein paar Tagen sind sogar die Eiscafés wieder offen, und gelegentlich setzt man draußen auch mal eine Maske auf, wenn es eng wird.

Gleichzeitig schnappen weite Teile des Schmuddel-Netzes über. Querfront, Rechte, Impfgegner, Reichsbürger, Bargeldfetischisten, Coronaverleugner, Rechthaber, Weltverschwörungswitterer – alle fühlen sich bestätigt, Opfer zu sein einer suppressiven Regierungsverschwörung, die ihnen die Freiheit nimmt, draußen andere Leute ohne Mundschutz anzuhusten und im FC-Stadion eine Currywurst zu essen.

Und das nur, weil unser Gesundheitssystem nicht zusammengebrochen ist.

Sie empören sich, dass es bei uns nicht so schlimm war. Dass die Situation, vor den es die ganzen Warnungen gab, nicht eingetreten ist. Dass unser Gesundheitssystem nicht zusammengebrochen ist. Die ganzen Beschränkungen waren unnötig.

Dass wir – bislang – so glimpflich davongekommen sind, weil wir uns beschränkt haben, auch mit hohen wirtschaftlichen Folgen – diesen Schluss glauben sie nicht.

Stattdessen gewinnt die utilistaristische Sichtweise an Anhängerschaft. Das gesamte Wohl aller Einzelnen ist demnach höher zu gewichten als dass Wohlergehen jedes Einzelnen. Wenn man stirbt, hat man Pech gehabt, solange alle anderen eben weniger Einschränkungen haben. Leben wird aufgewogen.

Jeder vierte hat eine Vorerkrankung, die bei Covid-19 für einen schlimmen Verlauf sorgen könnte? Drei Viertel aber nicht! Rund 24 Prozent der Deutschen sind über 60 Jahre alt? 76 Prozent nicht. Diese Leute sterben halt sowieso, wenn nicht an Covid-19, dann bestimmt morgen an Krebs, Fettsucht, Husten, irgendeine andere Vorerkrankung, Alter. Solche Ansichten sind es, denen man aktuell letztlich immer öfter begegnet.

Eine egoistisch-fatalistische Sicht, die Dankbarkeit vermissen lässt, in einem Land zu leben, dessen Gesundheitssystem nicht zusammengebrochen ist. In dem Triage nur ein Gruselwort geblieben ist, weil wir genug Pfleger und Beatmungsgeräte rechtzeitig hatten, und sie nicht benutzen mussten.

In den USA endet aktuell jeder fünfte bekannte Covid-19 Fall mit dem Tod. Bei 416 258 beendeten (Stand 15. Mai) nachgewiesenen Fällen starben 88 507.

In Deutschland sind es bei 159 701 beendeten nachgewiesenen Fällen “nur” 8000, also 5 Prozent. Jeder 20. getestete erkrankte in Deutschland stirbt, eine Zahl, die seit Wochen relativ konstant ist.

Auch wenn Meinungs- und Bewegungsfreiheit unser höchstes Gut ist, funktioniert das Rechtssystem weiter. Jeder, der seine Rechte beschnitten sieht, kann sich an Gerichte wenden. Aber von Diktatur, Staatsstreichen, Gates’schen Weltverschwörungen zu phantasieren, verzerrt die Situation, in der wir leben, in ungekanntem Maße.

Seien wir einfach weiter froh, dass wir nicht in italienischen, spanischen, venezuleanischen oder US-amerikanischen Verhältnissen leben müssen, sondern nur beim Einkaufen und Busfahren Masken tragen sollen und vorerst auf die großen Partys verzichten müssen. Auch wenn es wirtschaftlich und sozial für den Einzelnen hart und schmerzhaft sein kann.

Ausgangsbeschränkung Bonn Corona Gates Weltverschwörung


Previous Next

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Cancel Post Comment