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Bonn: Suchthilfe kürzen, Süchtige mit Kameras überwachen
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Bonn – Weil deutsche Sicherheitsbehörden versagt haben, und ein Attentäter einen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verüben konnte, wird aktuell durch die Bonner Verwaltung darüber nachgedacht, unbescholtene Bürger beim Gehen über die Straße mit Videos zu überwachen. Die Vorlage ist im Rat für den 2. Februar terminiert.

Auch in Bonn. Dort hat Oberbürgermeister Ashok Sridharan kurz gefasst vorgeschlagen, auch Obdachlosenhotspots, die sich durch Beschaffungskriminalität, sprich Diebstahl, Raub, Körperverletzung auszeichnen, besser zu überwachen – und alle anderen. Man will: “unsichere Orte im öffentlichen Raum“ als Kommune selbst festlegen zu können – auch wenn es statistisch keine Kriminalitätsschwerpunkte sind.”

Bonn ist eine vergleichsweise sichere Stadt. 279 Raubüberfälle gab es 2015 auf öffentlichen Wegen, dazu 29 Handtaschenräube im gesamten Bereich der Bonner Polizei. Von den insgesamt 527 Raubdelikten wurde ungefähr jeder zweite aufgeklärt. Von 3474 Fällen der Körperverletzung fanden 504 auf offener Straße statt. 72,4 Prozent wurden aufgeklärt. Eine Videoüberwachung von wenigen Obdachlosenhotspots hätte also eher marginalen Einfluss auf die bereits hohe Aufklärungsquoten.

Von der Verhältnismäßigkeit gar zu schweigen, denn Sicherheitsempfinden sollte man nicht mit Pseudo-Sicherheitsmaßnahmen begegnen.

Süchtigen nicht helfen, aber überwachen

Delikat wird die gnaze Sache aber aus einem anderen Grund. Bonn ist eine absolut überschuldete Stadt. Jetzt wurden die Sparbeschlüsse umgesetzt, die Suchthilfe hat nun rund 700 000 Euro weniger zur Verfügung. Mit dem hervorgehobenen Vorschlag, Hotspots von  Obdachlosen, wo sich häufig auch Menschen mit Suchtproblemen treffen, bleibt die Frage nach den Präferenzen: Möchte man Mitbürgern in Schwierigkeiten Wege aufzeigen? Oder will man Steuergeld benutzen, um Bürger in Schwierigkeiten zu überwachen, damit Taschendiebstähle, die etwa zur Suchtfinanzierung begangen wurden, besser aufzuklären.

Kameraüberwachung verhindert keine Verbrechen. Sie kostet Geld und Zeit von Polizeibeamten und städtischen Kräften, die vor den Monitoren sitzen oder später die Bilder auswerten. Geld und Zeit, welches vielleicht besser in Prävention investiert würde: Entweder Streetworker, Suchthilfe, oder Ordnungskräften vor Ort.

<tl;dr> Die Suchthilfe zu kürzen, zugleich aber Süchtige zu überwachen, ist nicht nachhaltig

Foto: Pixabay CC0

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