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Menschen die auf U-Bahn-Türen starren
Sebastian Eckert comment 0 Comments

U-Bahn fahren ist schon nicht einfach. Hektisch drängelnd Menschen hinein, heraus, suchen sich einen freien Platz, an dem ihnen die umgebenen Körpermassen nicht so unangenehm auffallen, starren auf ihre Bildschirme, hören viel zu laut Musik, die aus kleinen Kopfhörern poltert oder quatschen viel zu laut über viel zu private Themen.

Das alles wäre ja gar nicht so schlimm. Wäre da nicht die anscheinend angeborene Unfähigkeit, ihren Platz kurzzeitig zu räumen, wenn Mitfahrer aussteigen wollen. Vielleicht ist es genetisch verankert, dass keinerlei Bereitwilligkeit besteht, auch nur mehr als einen halben Meter vom Standpunkt abzuweichen.

Viel eher nehmen sie in Kauf, dass sich Dutzende mit Taschen an einem vorbeidrücken, im Kopf dabei Flüche ausstoßen, sie nehmen in Kauf, dass die Aussteigenden ihre Taschen noch in den Körper des Stehenbleibers rammen. Blessuren eines unsoziales Verhaltens.

Richtig krass wird es, wenn die Stehenbleiber einen Schritt tun, um sich dann direkt im Türrahmen breit zu machen, dann verwirrt umdrehen und stehen bleiben, als ob sie an eine virtuelle Levelbeschränkung gestoßen wären. Den Schritt mehr wagen sie nicht. Dabei könnten sie ja auch kurz hinaustreten, beiseite treten, anschließend als erste wieder die Bahn besteigen.

Bleiben sie aber im Türrahmen stehen, gibt es richtig ärger. Der zweite macht halt, der dritte drängelt sich radikal an allen vorbei, schimpfend, zeternd, sodass sich beide beschämt fühlen. Helfen tut das aber nicht.

Unverständlich ist das Verhalten allemal. Es ist nicht zu erklären durch eine plötzliche geistige Abwesenheit, die beim Mitfahren einsetzt. Es könnte höchstens die Angst sein, nicht mehr hineinzukommen, zurückgelassen zu werden, als einziger auf dem leeren Bahnsteig warten zu müssen. Oder durch die Furcht, durch das Verlassen des Stahlkörpers sein Beförderungsrecht zu verlieren, beim Wiedereinstieg durch die mit roten Banderolen und grauen Mänteln ausgestatteten SWB-Geheimdienstmitarbeiter geschnappt und abgeführt zu werden.

Das einzige, was wohl wirklich hilft, sind nicht nur leichte Knüffe und achtsame Taschenschläge in die Seite der Stehenbleiber beim Verlassen. Sondern mit lautstarker Stimme brüllen: “Jetzt gehen sie doch einen Meter hinaus.”

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