“Was tut ihr eigentlich für die Nicht-Flüchtlinge? Haben die auch alle so tolle Handys, und gibt es für die auch ein neues Sachspendenlager in Bonn?” So ungefähr lautete ein Kommentar auf Facebook, der inzwischen mit dem gesamten Thread gelöscht wurde. (1)
In der Sache ist die Antwort einfach. Man kann Hilfe nicht gegeneinander aufwiegen, vorallem nicht ehrenamtliche. Nur weil man etwas für Flüchtlinge tut, heißt das nicht, dass die Unterstützung für Obdachlose eingestellt wird.
Doch genau das ist, was uns solche Stimmen weißmachen wollen. “Die” haben ja genug, die neuesten Handys, doch “unsere” Hilfsbedürftigen haben nichts”, heißt es dann aus der Ecke derer, die eigentlich genug haben und keine Hilfsbedürftigen kennen.
Gruppen gegeneinander ausspielen
Es sind die gleichen Stimmen, die damals, Mitte der 90er, sich über Florida-Rolf und die ganzen Sozialschmarotzer empörten. Die, die nur auf der faulen Haut liegen und sich von Staatsgeld, von Bürgergeld(!), alles kauften, während die Gesellschaft, die hart arbeitete für wenig Geld, sich nichts kaufte. Es ist der gleiche Neid, nur auf eine andere Gruppe. Die neuen “Sozialparasiten” der “Mahner” sind jetzt offenbar Flüchtlinge.
Interessant ist auch, dass genau die sich mokieren, die bislang nicht gerade durch Einsatz für Obdachlose aufgefallen sind und auch jetzt nicht durch Einsatz für Flüchtlinge oder die Gesellschaft überhaupt auffallen.
Wenn die Signa Wohnungen an Flüchtlinge gibt, statt sie leer stehen zu lassen, kommt bei den Mahnern und Facebook-Kommentatoren die Frage auf, warum man die nicht auf Staatskosten den Obdachlosen gibt. Oder Studenten. Oder Azubis. Den Obdachlosen, für die man sich selbst bislang nicht geschert hat, denen man kein Geld und schon gar nicht die eigene Einliegerwohnung auf Staatskosten vermietete. Den Studenten, denen man Wohnungen weder günstig noch überhaupt vermieten wollte, trotz Elternbürgschaft, weil sie ja laut sind und kein Einkommen haben. Den Azubis, die bestimmt nach derAusbildung auf der Straße stehen.
Bislang hat jedenfalls die, die jetzt so etwas vorschieben, der soziale Wohnungsbau recht wenig interessiert. Sonst hätten sie bestimmt bei der letzten Wahl eine Partei gewählt, die sich für mehr Wohnungen in öffentlicher Hand, für eine Einführung einer 30 Prozent Regelung bei Neubauten, einsetzte.
Flüchtlinge sind nichts anderes als sozial Schwache, die diese Gesellschaft menschlich behandeln muss, weil es zu den Grundwerten unserer Gesellschaft gehört.
“Ja, aber das ganze Geld, das dafür ausgegeben wird, hätte man das nicht für Schulen, Windräder, Frühförderung, Elektromobilität, Radwege, Straßen oder eine Mars-Mission ausgeben können?”
Nein. Weil es kein entweder – oder gibt. Der Staat setzt politische Ziele und finanziert sie. Als der Staat fünf Milliarden Euro dafür aus dem Fenster warf, damit Deutsche ihre guten Autos verschrotten lassen, um sich noch bessere, teure Autos zu kaufen, hat das auch keinen gestört. Da war es ganz nett, das Geld konsumptiv auszugeben, statt investiv in Erziehung und Bildung zu stecken. Erst vor wenigen Tagen hat die Regierung entschieden, den Bürgern die Kosten für die Atommülllagerung aufzudrücken. Und keinen hat es gestört.
Ja, aber die Schulden!
Auch ohne Flüchtlinge war Deutschland und ist hoch verschuldet, ohne dass es den Bürger störte. Und trotzdem steht da eine schwarze Null am Ende des Jahres, annähernd, und die Arbeitslosigkeit ist so niedrig und die Luft und das Wasser so gut wie noch nie.
Uns geht es blendend, wir haben die Wende finanziell verkraftet. Uns wird es irgendwann wieder schlechter gehen. Und dann wieder gut. Und, eines darf man nicht vergessen: Wer eignet sich besser für die Wirtschaft und die Gesellschaft als Leute, die jetzt nichts haben, aber irgendwann was haben wollen und bereit sind dafür zu arbeiten? Die noch all die ganzen Pullis, Häuser, Autos, Fernseher, Bildung für ihre Kinder kaufen müssen, die ihr bereits habt?
Sozialneid schüren
Bei all diesen Beispielen wird offenbar Sozialneid geschürt. Es werden Gruppen gegeneinander ausgespielt, denen man selbst nicht angehört, aus Angst, etwas vermeintlich zu verlieren. In die eigene heile Welt ohne wirkliche Kriminalität, ohne Angst um Leben, Tod, Armut und Zerstörung, kommt eine geringe Zahl an Leuten, denen es nicht gut geht, und die vermeintlich etwas nehmen. Vom Volksvermögen, das einem nicht gehört, versorgt werden müssen, bis sie gehen oder sich selbst versorgen können.
Wenn man aber Sozialneid schüren will, dann ist alles recht, und dann kann man alles zum Kampf hochstilisieren. Und das kann dann auch ein abgetragener Pulli oder ein altes paar Herrenschuhe sein, von denen es in unserer Wohlstandsgesellschaft doch augenscheinlich mehr als genug gibt.
(1) (Ja, bei “Bonn kann mehr wenn” wird alles hart entfernt, was irgendwie nur anstößig sein könnte. Auch wenn man nur eine normale, nicht beleidigende Diskussion ausübt. Aber mangelnde Diskussionskultur in Deutschland ist ein anderes Problem…)
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